«Ich bin mir sicher, dass ich die Führungsaufgabe besser gemeistert habe, als wenn ich alleine gewesen wäre.»
Tamara Ritter und Sarah Stämpfli über Co-Leadership bei der SBB – und wie geteilte Führung durch Krisen trägt
Co-Leadership ist eine mögliche Antwort auf die Frage, wie moderne Führung in komplexen Lebensphasen funktionieren kann. Bei der SBB haben Sarah und Tamara 2,5 Jahre lang bewiesen, dass geteilte Führung auch in herausfordernden Zeiten funktioniert. 13 Mitarbeitende in 4 Themenbereichen, eine Schwangerschaft, Covid und der Wiedereinstieg in Teilzeit – all das haben sie gemeinsam gemeistert.
Ich habe mit den beiden über ihren Weg, ihre Learnings und ihre ganz persönliche Erfolgsformel gesprochen.
Sarah, Tamara – wie kam es überhaupt zur Idee, gemeinsam zu führen?
Sarah: Ich war bereits als Teamleiterin unterwegs, dann wurde ich schwanger. Nach der Geburt wollte ich nicht im gleichen Pensum zurück, gleichzeitig wollte ich die Führungsverantwortung nicht komplett abgeben. Da kam mir die Idee: Was, wenn wir das zu zweit machen?
Tamara: Ich war zu dem Zeitpunkt in einer Fachposition und gerade auf Reisen in Neuseeland, als mich Sarahs Idee erreichte. Wir kannten uns bereits, und der Vorschlag hat mich sofort begeistert. Ich habe dann zunächst Sarahs Mutterschaftsvertretung übernommen – und später waren wir dann als Co-Lead unterwegs.
Wie habt ihr euch die Arbeit aufgeteilt?
Tamara: Ich war zu 100% da, Sarah zu 60%. Wir übernahmen beide Führungsaufgaben, ich arbeitet zudem auch operativ, beispielsweise als Chefin vom Dienst, Sarah fokussierte zusätzlich auf die strategische Weiterentwicklung des Newsrooms. Nach der Geburt meiner Tochter reduzierte ich auf 80%, Sarah blieb bei 60%.
Sarah: Wir haben uns die Aufgaben bewusst nach unseren Stärken und Kompetenzen aufgeteilt. Das Ziel war, Überschneidungen zu minimieren und gleichzeitig volle Transparenz zu haben. Wir hatten ein gemeinsames OneNote, haben uns regelmässig ausgetauscht und das Team klar aufgeteilt – aber immer mit der Haltung: Wir sind füreinander und das ganze Team da, wenn etwas ist.
Wen musstet ihr überzeugen – und wie habt ihr das geschafft?
Sarah: Das Team war sehr vielseitig, die Ressourcen bereits knapp. 13 Leute in 4 Themenbereichen zu führen und weiterzuentwickeln, war anspruchsvoll. In einem reduzierten Pensum alleine weiterzuführen, wäre unrealistisch gewesen. Mein Chef unterstütze mich in der Lösungsfindung und fand die Zusammenarbeit mit Tamara grundsätzlich eine gute Idee.
Tamara: Zuerst stand die Idee einer starken Stellvertretung im Raum. Das überzeugte mich nicht. Da ich gegenüber meiner damalige Vorgesetzten sehr offen war, konnte ich die Situation auch mit ihr spiegeln. Sarah und ich fanden dann gleich die Lösung: ein echter Co-Lead. Das hat auch die Chefs sowie HR überzeugt.
Wie habt ihr euch auf die gemeinsame Führung vorbereitet?
Tamara: Wir wurden durch ein Coaching begleitet, das uns half, Rollen und Verantwortlichkeiten zu klären. Wir haben Aufgaben nach Fähigkeiten verteilt, das Team klar zugeordnet und unsere Arbeitstage strukturiert – aber immer mit der Haltung, dass wir füreinander und das Team da sind und bei Bedarf einspringen.
Sarah: Wichtig war uns, eine Stimme nach aussen zu sein. Das Vertrauen zwischen uns war entscheidend – und dass wir uns menschlich wirklich gut verstehen.
Worauf seid ihr heute besonders stolz?
Tamara: Auf das, was wir zusammen erreicht haben. Wir sind beide ins kalte Wasser gesprungen, haben uns gegenseitig supportet – und heute sind wir sehr gute Freundinnen. Zu allen erwartbaren Herausforderungen kam noch Covid dazu. Alles ist heiss gelaufen – und wir konnten es zusammen meistern. Nicht nur das: Wir haben das Team weiterentwickelt und neue Projekte angestossen.
Sarah: Die Fähigkeit offen Feedback zu geben und anzunehmen. Denn dass wir offen und ehrlich zueinander waren, hat uns in unserer Leitungsfunktion stärker gemacht. Noch heute profitiere ich von den Erfahrungen. Und diese Zeit hat mich fachlich und persönlich weitergebracht und geprägt.
Was waren eure grössten Herausforderungen?
Tamara: Das Team mitzunehmen. Denn ein Team von einer Chefin auf zwei Chefinnen umzustellen, war anfangs ungewohnt. Manche mussten erst lernen, dass es jetzt zwei gleichberechtigte Ansprechpersonen gibt.
Sarah: Es gab wenig Role Models. Wir mussten nicht nur uns, sondern auch das Modell beweisen.
Was hat euch als Co-Lead-Duo besonders ausgezeichnet?
Tamara: Intern wurden wir «Tasara» genannt – weil wir als eine Stimme wahrgenommen wurden. Infos sind geflossen, die Zusammenarbeit mit uns war unkompliziert. Wir konnten Schleifen sparen, weil wir Ideen schon zu zweit geteilt und gechallenged haben, bevor wir sie ins Team trugen.
Sarah: Wir hatten unterschiedliche Stärken, die sich ideal ergänzt haben. Dadurch konnten wir Themen schneller klären. Ich musste Tamara nie viel erklären – ein kurzer Anruf, ein Impuls und wir konnten entscheiden.
Haben sich durch Co-Lead auch neue Chancen für euch ergeben?
Tamara: Absolut. Es war ein Karriereschritt und eine enorme Persönlichkeitsentwicklung. Ich bin mir sicher, dass ich die Führungsaufgabe mit Sarah an der Seite besser gemeistert habe, als wenn ich alleine gewesen wäre.
Sarah: Ich habe durch Tamara auch neue Perspektiven kennengelernt und bin als Leitungsperson gewachsen. Gleichzeitig hat das Co-Leadership-Modell gezeigt, dass anspruchsvolle Jobs und ein Privatleben miteinander funktionieren können. Ich konnte Verantwortung übernehmen und dennoch bewusst mit meiner Zeit umgehen – im Job wie privat.
Was würdet ihr anderen mit auf den Weg geben, die Co-Leadership einführen wollen?
Tamara: Ein Co-Lead muss gut organisiert, Verantwortlichen müssen klar definiert sein. Und: Mit einer Stimme zu kommunizieren hilft enorm.
Sarah: Durch einen Co-Lead wird nicht plötzlich alles «einfach». Beispielsweise bleiben Herausforderungen, die sich bei einer Teamführung ergeben können, bestehen. Als Co Lead kann man sich aber gegenseitig challangen, andere Perspektiven einbringen und erfährt laufend ehrliches Feedback. Das stärkt das gemeinsame Leadership, macht die Zusammenarbeit effektiver und wirkungsvoller.
Mein Fazit:
Sarah und Tamara zeigen eindrücklich, was Co-Leadership im besten Sinne bedeutet: Vertrauen, Augenhöhe und gemeinsames Wachstum. Sie haben nicht nur Verantwortung geteilt, sondern sich gegenseitig stärker gemacht – fachlich wie menschlich. Und genau darin liegt die Zukunft moderner Führung: Geteilte Verantwortung, gemeinsames Lernen und echtes Miteinander.
Du überlegst, Co-Leadership in deinem Team einzuführen?
Ich begleite Führungstandems und Organisationen dabei, geteilte Führung erfolgreich umzusetzen. Kontaktiere mich gerne für einen kostenlosen und unverbindlichen ersten Austausch-Termin.
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